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„Mein Führer, ab jetzt ist auch Rowno judenfrei geworden!“


Etwa gegen Ende August 1941 kamen „die Schwarzen“, die SS-Männer in Równe an. Was für eine Menschen waren sie? Damals haben wir, Kinder und Erwachsene Rownianer,  es nicht geahnt und nicht danach gefragt. Zitat aus dem Buch von Verena Dohrn Reise nach Galizien (ISBN 3-596-11515-9), Seite 106: „Diese Kommandos bestanden aus fünfhundert bis neunhundert Mann. Ihre Offiziere sollen keine Berufssoldaten, sondern Richter, Physiker, sogar Opernsänger gewesen sein. Männer zwischen dreißig und vierzig Jahren. Innerhalb von 5 Monaten töteten sie mehr als eine halbe Million Juden.“ Sie benahmen sich, im Gegensatz zu den anderen Deutschen, sehr auffällig und erregten allgemein Respekt und Angst. Den Juden wurde sofort befohlen, stets einen blauen Davidstern sichtbar auf dem Ärmelaufschlag zu tragen. Etwa im Oktober 1941 wurden die Juden gezwungen, auf Rücken und Brust ihrer Kleidung einen ca. 5 cm großen gelben Kreis aus Stoff aufzunähen. Zitat aus o/a Buch, Seite 107: Am 6. November 1941wurden in Rowno fünfzehntausend Juden ermordet ...“. Zitat aus der Zeitung Solinger Tageblatt  vom 26.03.1994, Seite 12: „Überall wurde mit Gewalt in die Häuser 
(LK: im Judenviertel Kaukas) eingedrungen ... Polizeileute hatten sich eine gewisse Methode zurechtgelegt. Man versuchte, in den Häusern zuerst das jüngste Kind, die Säuglinge, in die Hand zu bekommen, ...“. Ich, Lech – noch keine neun Jahre alt, habe stundenlang und tagelang beobachtet, dass endlose Reihen von Menschen vorbeigingen. Es musste über eine Woche gedauert haben, dass ich das zweite schreckliche Wort, ausgesprochen von den SS-Männern und immer wieder wiederholt, gehört habe: „Weiter!“  Damals  habe ich dieses Wort als Imperativsatz  definiert und interpretiert, es soll bedeuten „Geh in den Tod!“ Diese Definition will mich bis heute nicht loslassen. Das Schlimmste waren dann die einzelnen Schüsse, die uns -  Kinder aus Grabnik,- tagelang lähmten. Von allen Vorbeigehenden - Männer, Frauen, Kinder, Alte und Kranke, jeder mit einem kleinen Bündel unter dem Arm – sprach keiner ein Wort, niemand weinte, alle gingen still und wirkten resigniert. 

Zitat aus Solinger Tageblatt vom 26.03.1994, Seite 12: „ ...dann kam das Kommando: Die nächsten Zehn! Ein SS-Mann sagte zu Herrn Friedrich Graebe: Wir haben nicht so viel Munition, um jedem Juden den Gefallen zu tun, mehr als eine Kugel auf ihn zu verschwenden ...“ Einige Tage danach sind wir, Kinder aus Grabnik, zum neuen Kirchplatz gegangen, aber dort lagen nur zurückgelassene Habseligkeiten, Handgepäcke, lose Bestecke, Kinderwagens, Kinderspielzeuge und ähnliche Gegenstände. Kein Mensch war zu sehen, auch von den SS-Männern keine Spur. Wir haben sie nie wieder gesehen. Nach meiner heutigen Berechnung muss man, um ca. 15.000 Menschen innerhalb einer Woche zu töten, täglich acht Stunden lang durchschnittlich 2.500 Menschen erschießen, d.h. ca. 300 pro Stunde, also alle 2 Minuten – 10 Menschen. Schon möglich! Zitat Norbert Blüm: (Quelle nicht mehr genau bekannt)  „Viel später sagten die Erwachsenen, dass sie nie etwas davon erfahren hätten, was Hitler den Juden angetan hatte. Wir Kinder wussten es, ... Hitler hat Frau L. (Jüdin) umgebracht, aber auch die Seele von Herrn L (Deutscher) hingerichtet. Hitler hat mit den Juden auch Deutschland massakriert“.

Im Frühjahr 1944 sind wieder die Rotarmisten kampflos in Równe eingerückt. Diesmal aber als ganz andere Menschen. Sie waren zum Teil von Amerikaner ausgerüstet und versorgt, Lebensmittel, Munition und Sprit hatten sie im Überfluss. In Umlauf kam jetzt ein neuer polnischen Zloty, zwar mit dem weißen Adler, aber ohne Krone. Eine Mark mit der Aufschrift: ALLIERTE MILITÄRBEHÖRDE DEUTSCHLAND war auch gültig. Der Rubel ist ungültig über Nacht geworden. Es gibt wieder polnische Briefmarken, polnische Zeitungen, die polnische Sprache scheint wieder Staatssprache zu sein.     



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